Die Bremer Koalitionsfraktionen aus DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben einen Antrag beschlossen, mit dem sie als erste Regierungskoalition bundesweit ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD forcieren wollen. Zudem soll das vereinsrechtliche Verbot der Jugendorganisation Junge Alternative (JA) geprüft werden.
Demnach soll sich der Bremer Senat – nach Beschluss der Bürgerschaft voraussichtlich kommende Woche – auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Landesämter sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Materialsammlung zur AfD anlegen. Liegt diese Sammlung vor, soll der Senat ebenfalls auf Bundesebene, etwa im Bundesrat, auf eine zügige Entscheidung über die Einleitung eines Verbotsverfahrens hinwirken.
Leonidakis (LINKE): Die Mittel der Verfassung zu ihrem Schutz sind nicht für die Galerie da
Dazu die LINKEN-Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis: „Seit Jahren vergiftet die AfD den politischen Diskurs mit Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Bei Worten bleibt es aber nicht. Zuletzt haben die Recherchen von CORRECTIV gezeigt: Die AfD plant die massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationserbe per Gesetz und durch Verfassungsbruch. Sie hat enge Verbindungen ins gewaltbereite rechtsradikale Milieu und solvente Geldgeber, mit deren Hilfe sie ihren Einfluss ausbauen will. Die Pläne sind nicht nur menschenverachtend und rassistisch, sondern auch verfassungswidrig. Die AfD ist eine reale Gefahr für die Gesellschaft, die Demokratie und ihre Institutionen.
Die Wehrhaftigkeit der Demokratie ist jetzt gefragt. Die Instrumente der Verfassung sind nicht für die Galerie da, sondern um diese zu schützen, wenn es nötig ist. Aus unserer Sicht ist der Zeitpunkt dafür gekommen.
Das bundesweit vorhandene Material zur AfD und der Jungen Alternative soll deshalb zusammengetragen und ausgewertet werden. Sollten die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegeben sein, wird Bremen auf Bundesebene einen Schulterschluss für einen Verbotsantrag suchen. Die Entscheidung obliegt dann den Richter*innen des Bundesverfassungsgerichts. Uns ist bewusst, dass ein Verbotsverfahren ein sehr scharfes Schwert ist, und die Hürden sind zurecht hoch. Aber wir müssen jetzt handeln, bevor es zu spät ist.“
Güngör (SPD): Bremen übernimmt Vorreiterrolle – „es ist fünf vor zwölf!“
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mustafa Güngör betonte, mit diesem Vorstoß nehme Bremen bundesweit „eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Rechtsextremismus“ ein. „Ich halte es gerade aufgrund unserer Geschichte für unsere demokratische Pflicht und Schuldigkeit, dass wir gegen rechtsextreme Umtriebe mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vorgehen“, so Güngör. „Und dazu gehört eben auch die Prüfung eines bundesweiten Verbots der AfD, ihrer Unter- und Nachfolgeorganisationen.“
Es sei „absolut geschichtsvergessen“, Forderungen nach einem AfD-Verbotsverfahren als antidemokratisch abzustempeln, so Güngör. „Die Mütter und Väter unserer Verfassung haben die Möglichkeit eines Parteienverbots ganz bewusst in unser Grundgesetz aufgenommen. Denn die Machterschleichung der Nationalsozialisten war das Ergebnis von falsch verstandener Toleranz gegenüber Antidemokraten. Wir müssen uns gegen die Feinde unserer rechtsstaatlichen Grundordnung wehren können.“
Sollte die AfD in einzelnen Ländern oder gar im Bund in Regierungsverantwortung kommen, sei eine „Unterwanderung von Exekutive und Legislative durch AfD-nahe Verfassungsfeinde“ nicht mehr auszuschließen, bekräftigte der Fraktionschef. Ein Verbotsverfahren müsse daher „so schnell wie möglich“ geprüft und gegebenenfalls eingeleitet werden. „Es ist fünf vor zwölf!“
Müller (Grüne): Nur das Bundesverfassungsgericht kann eine Partei verbieten – und das ist sehr richtig so
„Wir wissen, die AfD ist eine für unsere Demokratie gefährliche Partei. Ob der demokratiefeindliche Charakter der AfD ausreicht, um politisch einschränkende Folgen zu haben, das muss in strengen rechtsstaatlichen Verfahren geklärt werden. Nur das Bundesverfassungsgericht kann eine Partei verbieten, das liegt nicht im Ermessen unserer Parlamentsmehrheit – und das ist sehr richtig so.
Aber wir treten dafür ein, dass die zuständigen Behörden die Beobachtung der AfD fortsetzen sowie jetzt das gesamte vorliegende Material zusammentragen, damit auf dieser Grundlage eine Entscheidung getroffen werden kann, ob ein Verbotsantrag gegen die AfD beim Bundesverfassungsgericht gestellt werden muss. Das ist angesichts der jüngsten Ereignisse, die so vielen Menschen in Deutschland ganz persönlich Angst machen, das Mindeste, was wir jetzt dringend tun müssen.
Schon die Diskussion unter den demokratischen Parteien über das Gebaren der AfD und ein mögliches Verbot der Partei trägt zu der wichtigen Klärung bei, was unser Staat verkraften kann – und was er verhindern muss.“
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