Ich meine…
… dass beim Kampf gegen den Rechtsextremismus Sorgfalt vor „Zeichen“ gehen muss.
Am Mittwoch hat auch die Bremische Bürgerschaft über einen Verbotsantrag gegen die AfD diskutiert. Aufgeschreckt durch das „Potsdamer Treffen“ muss die Politik sich dieser Frage stellen. Das ist auch ein Auftrag der Million Menschen, die sich auf den Kundgebungen erklärt haben, gegen die Gefährdung der Demokratie einzutreten. Aber die Antwort ist leider nicht einfach.
Klar ist: Nach unserer politischen Einschätzung ist längst klar, dass die AfD eine rechtsextremistische, die Demokratie und den Rechtsstaat aktiv bekämpfende Partei ist. Aber rechtlich ist das (noch) nicht so eindeutig festgestellt, auch wenn die Verfassungsschutzämter es einzelnen Landesverbänden der AfD schon attestiert haben – aber noch nicht das dafür zuständige Gericht. Klar ist auch, dass schon die Prüfung, ob eines der drei dazu befugten Verfassungsorgane einen Antrag stellen will, eine längere Zeit dauern wird und das Verfahren in Karlsruhe selbst auch noch einmal. Und es wäre sehr fahrlässig zu sagen: „Ich vertraue unserem Verfassungsgericht, dass es so entscheidet, wie es doch offensichtlich richtig ist.“ Das Gericht ist unabhängig, den Respekt davor sollten wir auch zeigen.
Also das Risiko bleibt. Aber andererseits sind Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung verpflichtet, fortlaufend zu untersuchen und zu prüfen, ob unserer Demokratie eine existentielle Gefährdung droht, heute durch die AfD. Meine erste Schlussfolgerung ist: Die Möglichkeit und Notwendigkeit eines Verbotsantrags prüfen: Ja; aber nicht behaupten, man wisse heute schon, wie die Prüfung ausgeht, als wäre das alles schon klare Sache.
Das hängt mit dem zweiten Punkt zusammen. Es wird in diesem Jahr nicht nur in drei ostdeutschen Ländern gewählt, sondern auch zum Europaparlament und in vielen Ländern in den Kommunen. Diese aktuelle Situation müssen wir berücksichtigen. Es muss unser oberstes Ziel (natürlich neben vielen grünen Stimmen) sein, dafür zu sorgen, dass die AfD in den Wahlen am Ende weniger Stimmen bekommt als in den Umfragen. Aus den bisherigen Erfahrungen ist die Gefahr groß, dass eine laut und mit Vorwegnahme der rechtstaatlichen Prüfung geführte Verbotsdiskussion eher die Empfindung bei ohnehin verunsicherten Menschen schüren könnte, „von den Eliten nicht gehört zu werden“.
Von den Europawahlen wird in den gegenwärtigen Debatten kaum geredet. Das ist aber hier in Bremen die erste wichtige Arena im Kampf gegen die AfD. Darauf sollten wir uns konzentrieren; mit einem Wahlkampf, der konsequent die Vorteile der heutigen europäischen Integration in den Vordergrund stellt (und die föderalen Utopien für bessere Zeiten bewahrt). Und da darf es auch mal ein Flugblatt und eine Serie in den sozialen Medien geben, die den massiven lebensalltäglichen Schaden beschreibt, den ein Einfluss der AfD mit sich bringen würde. Es geht im Augenblick auch in der EU um sehr viel! Und bitte unbedingt die Gemeinsamkeit in diesen Fragen mit möglichst vielen anderen Parteien suchen, auch mit konservativeren als wie es sind.
Gleichzeitig sollten wir in den Monaten der bevorstehenden Wahlen die dafür zuständigen Organe in Ruhe ihre Arbeit machen lassen, die Dokumentationen und Analysen, die die Voraussetzung für eine verantwortliche Entscheidung über einen Verbotsantrag sind.
Hermann Kuhn
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